Berichte von 01/2020

Back to Normal

Samstag, 25.01.2020

Nach 6 Wochen Reisen beginnt der Alltag erneuert und obwohl die letzten Wochen heftig toll waren, bin ich irgendwie auch froh darüber. Routine, Alltag, Arbeit. Aufstehen, Sport. Los geht es damit, dass wir unseren ersten Arbeitstag verpennen. Waren uns so sicher, dass die Schule erst Mittwoch beginnt. Das tut sie auch, aber nur für die Schüler. Niemand hat uns Bescheid gesagt und so kommen wir erst am Dienstag. Ich bin echt froh das Kollegium wieder zu sehen. Vor allem die Lehrer, die enger mit uns zusammen arbeiten. Diese sind auch froh uns wieder im Team zu haben, denn es gibt viel zu tun in zu wenig Zeit.
Während ich bis jetzt den Großteil der Lehrer als relativ entspannt wahrgenommen habe, ändert sich die Atmosphäre in den nächsten 3 Wochen. Dies liegt an zwei neuen Klassenräumen, die über den Sommer fertig gestellt worden sind. In 3 Wochen kommen Vertreter des Departments of Education und dafür muss alles perfekt sein. Jeder Klassenraum wird dekoriert, gestaltet, auf Vordermann gebracht. Wir selbst räumen die Bibliothek um und kreieren einen eigenen Lesebereich, getrennt von Tischen, an denen die Kinder arbeiten können. Aber wir sind noch für so viel mehr zuständig. Ich möchte gar nicht wissen, wie viele Stunden ich damit verbracht habe Grafiken, Buchstabenkarten und Wochentage zu laminieren. Pro Tag bis zu vier Stunden. Wir sind müde. Ich ernähre mich von Kaffee. Hinzu kommt, dass ich nicht gut schlafe. Mir geht zu viel durch den Kopf. Wir sind immer verfügbar, nehmen alle Bitten an. Nach den drei Wochen bin ich fix und fertig. Nebenbei beginnen wir unsere Soul Buddyz Projekte, deren Planung seit Anfang Dezember steht. Zunächst etwas holprig, aber bereits nach 2 Wochen kenne ich die Kinder in meinem Club besser und wir haben Spaß als Team.

Und langsam wird es wieder besser. Die Herren vom Department of Education kommen und die Eröffnung der gut geschmückten Klassenräume ist ein voller Erfolg. Und endlich kann die Routine wieder beginnen. Die Kinder kommen wieder in die Bibliothek und zugegeben ist es schwer, wieder in den alten Rhythmus zu kommen. Aber es wird von Tag zu Tag besser. Mein Stolz und meine Motivation sind die Soul Buddyz, die mir wirklich Freude bereiten. Diese Kinder stecken so voller Motivation und Potenzial. Nach jeder Stunde tanzen sie ausgelassen und wenn ich die Musik anmache und sie einfach Spaß haben, dann muss ich einfach lächeln, weil es so schön ist ihnen dabei zuzusehen. Johanna und ich lernen all die Musik kennen und spätestens jetzt lieben wir sie auch. Ich möchte den Kindern so viel wie möglich geben, damit ihr Potenzial nicht vergeudet wird und sie unsere Zeit in Südafrika ebenso genießen können, wie wir es in vollen Zügen tun.
Nach unserem Besuch in Kapstadt hat sich jedoch etwas verändert. Wahrscheinlich sind wir es selbst. Mir fallen plötzlich viel mehr  Ungleichheiten auf. Allein in der Schule ist der Unterschied zwischen den Kindern bereits gravierend. Einige kommen mit gebügelten Uniformen, manche haben durchlöcherte Schuhe. In de Straße ist es nicht anders. Ich nehme viele Menschen anders war und ich meine auch, dass wir wieder mehr auffallen. In einer Zeit, in der ich selbst gestresst bin, nerven mich die Blicke und das ungläubige Lachen der Menschen, wenn ich sie auf Sepedi grüße. Ich finde es schade, als so anders gesehen zu werden. Auch wenn die Individuen ja nichts dafür können.
Ichbeginne, das Buch „Südafrika-Ein Länderporträt" zu lesen, indem ein Mann, der aus Deutschland kommt beschreibt, wie er sein Leben in Südafrika führt. Ein Satz geht mir nicht mehr aus dem Kopf. „Als Weißer in Südafrika zu leben, bedeutet ständig ein schlechtes Gewissen zu haben". Und das beschreibt genau, was ich zurzeit fühle. Es ist unfair, dass einige Kinder zuhause kein Essen bekommen. Es ist unfair, dass die Menschen ohne Job und Existenzgrundlage ihr Dasein fristen und an Ampeln um 1 Rand Stücke betteln, was für mich 6 Cent sind. Es ist unfair, dass alles, was für mich so selbstverständlich ist, für so viele unerreichbar ist. Essen, Bidlung, ärztliche Behandlung. Die Welt ist unfair, und vor allem die Kinder verdienen eine Welt, die ihnen alle Möglichkeiten zu Füßen legt und ihnen das Reisen und den Zugang zu Bildung ebenso leicht macht, wie mir.

Gute Nacht.

Die schönste Stadt der Welt

Freitag, 10.01.2020

Kapstadt. Ein Muss während deines Südafrikabesuchs. Die meisten Urlaubsflüge der Welt gehen nach Kapstadt. Und auch ich peile diese Stadt an und lande dort am 28. Dezember, gemeinsam mit einem Freund und Mitfreiwilligen, um mich mit den anderen Freiwilligen dort zu treffen, das neue Jahr zu feiern und die Stadt zu besichtigen.
Die ersten drei Tage sind ruhig. Wir verbringen die Tage in Observatory, einem Stadtteil, der voller Straßenkunst und Bars ist. Das Kapstadt jedoch anders ist, fällt mir bereits in den ersten drei Tagen auf. In den Straßen werde ich mit viel Armut konfrontiert. Obdachlose Menschen mit nichts als ihren Kleidern am Leib, wenn überhaupt. Es ist präsenter als an jedem Ort, an dem ich je war. Die Unterschiede sind gravierend und unmittelbar. Ein hungernder Mensch neben dem Spar, in dem ich jeden Tag mein Essen kaufe.


Im Backpacker, in dem wir wohnen, lerne ich eine Österreicherin kennen, ein 19-jähriges Mädchen, genau wie ich, die allein Südafrika erkundet und für die nächste Woche in unsere Gruppe integriert wird, da man sich immer wieder trifft. Gemeinsam erkunden wir die Innenstadt, laufen durch die Long Street, eine Straße mit vielen Clubs und Bars, bis zur Waterfront, dem Touristenviertel im alten Hafen. Als die anderen SAGE Net Freiwilligen eintreffen, habe ich Kapstadt bereits ein wenig erkundet.
Am 31. Dezember kann sich unsere 25-köpfige Gruppe einfach nicht auf eine Location festlegen. Einige sind an der Waterfront und bestaunen das einzige Feuerwerk der Stadt,. Ein paar sind verstreut in Observatory. Ich bin mal hier, mal da, aber um 00 00 Uhr bin ich bei meinen Freunden aus Gauteng,  countdownschreiend und gläseranstoßend zusammen und kann ihnen sagen, wie sehr sie mitttlerweile meine Familie sind. Tschüss 2019. Du warst das krasseste Jahr meines bisherigen Lebens, vollgepackt mit Ende und Neubeginn. Hallo 2020. An dieser Stelle allen nachträglich ein gesundes neues Jahr, auch wenn mittlerweile Februar ist, aber Gesundheit schadet ja nie!
Ab jetzt wird Kapstadt unsicher gemacht. Das Meer zieht uns besonders an. Wir verbringen den 1. Januar am Clifton Beach, einfach nur entspannen. Das Wasser ist zu eisig zum Baden.

Kapstadt ist eine Stadt voller Kontroverse. Mit zahlreichen Stränden, grenzend sowohl an den atlantischen, als auch an den indischen Ozean, die sich am Kap der guten Hoffnung vereinen, wird die Stadt von zahlreichen Bergen umrahmt,. Allen voran der Tafelberg, dessen beinahe ebenene Spitze jedem Abend von Nebel überflutet wird, der langsam in die Stadt strömt. Auch das Wetter ist anders, es ist immer windig und daher kälter als beispielsweise bei uns in Gauteng. Wir verbringen einen Abend auf dem Signal Hill und beobachten den Sonnenuntergang, was einige Leute sogar klatschen lässt, als wäre dieses natürliche Ereignis ein Theaterstück oder ein guter Film. Und ein wenig wirkt es sogar so, da die Sonne binnen weniger Minuten vollständig untergeht und dies nur für die ihr zujubelnden Menschen zu tun scheint.
Ein besonderer Tag ist der erste Donnerstag des Jahres. Wir habe Glück zu dieser Zeit in Kapstadt zu sein, denn an jedem First Thursday des Monats sind hier die Galerien der Kunstszene geöffnet. Der First Thursday zieht vor allem junge Menschen in die Galerien, auch Musiker und natürlich viele Künstler. Auch meinen 19. Geburtstag feier ich in Kapstadt.

Johanna hat mir einen Kuchen gebacken (und dabei fast die Küche abgefackelt). Danke, hab dich lieb.
Ich habe selten in einem Auto gesessen, einfach nur gelächelt und war so vollkommen glücklich und zufrieden, wie ich es in Kapstadt bin. Die Stadt hat eine magische Wirkung auf mich. Es ist ein unglaubliches Gefühl im Abendlicht auf dem Weg zum nächsten Abenteuer zu sein, während dich Meer und Berge umgeben. Die Stadt scheint zu atmen und nur so zu sprühen vor Energie. Was auffällt ist, wie international Kapstadt doch ist. Es scheint wie ein Europa in Südafrika zu sein. Wir treffen viele deutsche Touristen, Menschen aus aller Welt. Aber nicht nur gute Dinge passieren uns in Kapstadt.
Als wir den Tag am Muizenberg Strand verbringen, wird eine unserer Taschen geklaut. Handy, Portemonnaie, Schlüssel. Niemand hat etwas gesehen. Wir sind alle frustriert und versuchen Johanna, es war ihre Tasche, aufzumuntern. Doch das mich Betreffende, passiert erst am Tag darauf. Muizenberg Beach scheint auch für mich nicht der geeignete Strand zu sein. Obwohl wir einen wunderschönen Tag dort verbringen, in der Sonne dösen und Baden, trage ich einen erheblichen Schaden davon. Denn meine Beine sind verbrannt. Nicht ein wenig rot, sondern so verbrannt, dass die Haut spannt und ich nicht mehr laufen kann. Also verbringe ich einen Tag im Krankenhaus, bekomme Schmerzmittel und gebe zu viel Geld für Bodylotionen mit Aloe Vera aus. Ich denke ich habe jetzt alle getestet. Der Sonnenbrand wir die nächsten zwei Wochen anhalten bis sich die Haut schält. Noch heute, zwei Monate später, sind meine Beine nicht vollständig verheilt.
Dennoch ist Kapstadt ein tolles Erlebnis für mich gewesen. Mein Highlight ist definitiv der Ausflug zum Kap der guten Hoffnung, gemeinsam mit Johanna, einer weiteren Mitfreiwilligen und ihrer Freundin, die gerade aus Deutschland zu Besuch ist. Am Kap treffen Atlantik und indischer Ozean aufeinander und es kann gesagt sein, dass die beiden Ozeane ihren eigene Charakter zu haben scheinen. Wir folgen einem Weg, der sich bis zum Aussichtspunkt schlängelt, durch wunderschöne Vegetation, entlang an der Küste. Was mir auffällt, ist, dass die Touristenattraktionen hier, obwohl sie gut und international besucht sind, kaum abgeändert worden sind. Natürlich gibt es hier Postkarten zu kaufen und auch ein Restaurant. Aber es ist kein von Hotels und Pools überflutetes Terrain, der Weg ist nicht einmal mit Geländer versehen. Und das finde ich ziemlich gut.

Selbstverständlich gehen wir auch Abends weg. Dabei stellt sich immer die Frage zu später Uhrzeit wie wir nach Hause kommen, da ich noch 4 weitere Tage im Backpacker wohne. Die WG der Kapstadtfreiwilligen, ist ganze 3 Minuten Fußweg entfernt, führt jedoch durch eine Unterführung. Prädestiniert für Kriminalität. Es ist dunkel und niemals würde ich dort nachts allein hindurch gehen. Eines Abends gehen wir mit einer Gruppe von sechs Leuten doch durch die Unterführung. Als ich ein Rascheln höre, wird mir klar, dass dort Menschen liegen. Ich habe mich so sehr erschreckt, dass ich anfange zu rennen. Diese Panik lässt Horrorgeschichten in meinem Kopf entstehen. Als wir ankommen, fragt mich ein Freund, der hinter mir gelaufen ist, da gerade passiert sei. Dieser Schreck, den ich an diesem Abend bekommen habe, lässt mich ziemlich stark über Angst in Verbindung mit Kriminalität und sozialer Ungerechtigkeit nachdenken. Denn der Großteil der Menschen ist nicht Von Natur aus böse und kriminell aus Bösartigkeit. Dieser Gedanke beschäftigt mich lange. Was tun Menschen aus Verzweiflung und wie kann ich meinen Angst damit vereinbaren? Die Furcht ist aber trotzdem wichtig.
Mit sonnenverbrandten Beinen, einem Erinnerungspiercing und ein bis zwanzig Postkarten verlasse ich schließlich die Kapstadtblase und kehre zurück nach Atteridgeville, zurück in die Realität und den Alltag. Ein wenig fühlt es sich wirklich so an, Kapstadt zu verlassen, als würde man aus einem Traum erwachen. Ein Traum, der viele dunkele Seiten hat, aber von außen betrachtet das schönste und vollkommenste ist, was ich je gesehen habe.

Bis bald.