Berichte von 11/2019

Graduation Grade R

Mittwoch, 27.11.2019

Das Schuljahr neigt sich dem Ende zu und somit freuen sich nicht nur alle auf die lange Sommerpause und das anstehende Weihnachtsfest, sondern auch auf die nächst höhere Klasse. Wir haben große Pläne für Dezember, aber bevor es losgeht, steht noch ein wichtiges Ereignis an. Die Graduation der Grade Rs. Diese kommen zu Beginn des neuen Schuljahrs im Januar in die erste Klasse. Jedoch wird kein Schulanfang gefeiert, sondern der Abschluss von Grade R, eine Art Vorschule, die auch in der Schule stattfindet und die wir in unseren Tabletclasses auch mit betreuen. 
Zunächst fährt das gesamte Kollegium, inklusive wir, in eine Art Gemeindezentrum in Saulsville, wo fleißig geschmückt wird. Ballons, Girlanden, Schriftzüge und alles in den Makgathofarben, Rot, Blau, Weiß. 
Nach und nach treffen die Kinder mit ihren Eltern ein und der Raum füllt sich. 
Alle Kinder nehmen draußen Aufstellung und die Festlichkeiten beginne. Wir kennen alle Kinder schon vom Sehen, aber selbstverständlich sind die Kleinen sehr aufgeregt. Zuerst wird ein bisschen gezeigt, was man so gelernt hat. Gemeinsam zählen, singen oder ein kleines Theaterstück performen.


Anschließend ist es endlich so weit und die Kinder erhalten ihre Zeugnisse und damit den Status, ab Januar 2020 ein Schüler der Makgatho Primary School zu sein. Natürlich sind alle Eltern, Lehrer und auch Wir sehr stolz, es fließen sogar die eine oder andere Träne. 
Auch für Essen wird gesorgt, die neuen Erstklässler erhalten alle ein Happy Meal, sowie Geschenke, wie Unterwäsche und Stifte. Es ist gar nicht so einfach, eine Kindergruppe von über 80 Personen zu koordinieren, sodass jeder einen Sitzplatz, sowie ein Essen, Spielzeug, Serviette und Geschenk hat, danach aller Müll entsorgt wird und die Eltern währenddessen unbedingt Kontakt zu ihren Kleinen aufnehmen müssen.

Aber letztendlich sind alle gestärkt und das Gemeindezentrum wird so hinterlassen, wie wir es vorgefunden haben, nach einer gehörigen Aufräumaktion. Ich war in meinem Leben noch nie so hungrig. Gegen 16 00 sind wir zurück in der Schule. Auch für das Kollegium wurde ein traditionelles Mahl gekocht und so lassen wir den Nachmittag noch ein bisschen ausklingen. 
Es ist sehr schön den Spirit der Kinder zu sehen und die Vorfreude auf die eigentliche Schule. Ich freue mich, alle im Januar wieder zu sehen und ihnen beim Lernen helfen und zuschauen zu dürfen. Aber jetzt sind erstmal Ferien und es gibt so viel zu sehen.

Allen schon mal eine schöne Vorweihnachtszeit.

Be safe!

Sonntag, 24.11.2019

"Du musst immer sicher sein". Oder einfach nur "be safe" "walk safe" oder "get home safe", ist, was mir zum Abschied meistens gesagt wird. Und das bedeutet, keine nächtlichen Spaziergänge, kein Handy auf der Straße, das Meiden bestimmter Viertel und kein Taxifahren nachts. Paranoia oder lebensrettende Notwendigkeit?

Zunächst einmal muss gesagt sein, dass Südafrika zu einem der gefährlichsten Länder weltweit zählt. Innerhalb der letzten Jahre ist die Zahl der Morde immer weiter angestiegen und lag im Jahr 2018 bei über 20.000 (siehe Quelle). Das sind sogar mehr Morde als in Brasilien. Das liegt daran, dass bis heute viele Menschen mit dunkler Hautfarbe in großer Armut, auf engstem Raum und in Wellblechhütten zusammengepfercht in Randgebieten großer Städte, den Townships, leben und noch immer unter den Folgen der Apartheid zu leiden haben. Auch der Zustand einiger öffentlicher Einrichtungen macht die Spaltung innerhalb des Landes deutlicher. Besonders die staatlichen Krankenhäuser sind in keinem guten Zustand, mit wenig Privatsphäre und nur bedingt hygienischen Bedingungen ausgestattet. Zu sehen ist hier das Kalafong  Hospital, das Krankenhaus, was in Atteridgeville am nächsten zu uns ist und wo ich mich tatsächlich öfter aufhalte, da Freunde von mir, andere Freiwillige, die in ihrem Projekt, einem Waisenhaus im Krankenhaus arbeiten und auch  wohnen. 

Dies ist ein ganz normaler Gang im Krankenhaus, draußen. Die privaten Krankenhäuser sind jedoch nach annähernd europäischen Standards.

Wie äußert sich das Thema "Safety" denn in meinem Alltag? Es beginnt bereits Zuhause. Mein vergittertes Fenster verschließe ich mit einem Riegel. Für das Verlassen des Hauses brauche ich drei Schlüssel. Den eigentlichen Haustürschlüssel, im Extremfall sind noch drei Riegel vorgeschoben, den Butler davor und das Gate, also das Tor, was mit Stacheln und Maschendraht präpariert ist und woran ich mich auch nicht nur einmal verletzt habe. Solche Tore sind vor jedem Haus, hier das Tor der Deutschen Schule in Pretoria, sogar mit Stromzaun:

Die Häuser stehen sehr eng, Mauer an Mauer, Zaun an Zaun. Im Hof um das Haus herum sind fünf Kameras installiert. Auf der Arbeit ist es ähnlich. Hier wird zusätzlich mit einer Security Firma kooperiert, die eine Rufbereitschaft von 24 Stunden bereitstellt. Das klingt alles sehr beängstigend, ich habe noch keine Situation mitbekommen, in der eine dieser Sicherheitsmaßnahmen zum Tragen gekommen wäre. Und ich fühle mich trotz so vieler Gitter auch nicht eingesperrt, es gehört für mich mittlerweile einfach dazu. Gerade die Butler finden sich vor jeder einfachen Tür, selbst die Klassenräume in Makgatho haben alle einen Butler vor der einfachen Tür. Meine Wertgegenstände, Handy und Geld, trage ich ausschließlich im BH mit mir herum. auf der Straße telefoniere ich sleten und nur wenn ich mich absolut sicher fühle, also in vertrauten Gegenden.

Zu betrachten sind unterschiedliche Gegenden. Da ist einmal das Studentenviertel Hatfield, den Stadtteil Sunnyside, Pretoria East mit den Gated Communities und Pretoria West, das noch vom Erscheinungsbild her eher an ein Township erinnert. Und natürlich gibt es noch Town, die Innenstadt, wo alles lauter und anonymer ist. Es kommt darauf an, wo man ist, wann, aber vor allem auch wie man sich verhält. Ich hatte zu Beginn Angst, dass sich kein Gefühl für die Sicherheitslage entwickelt, da ich in Jena nie wirklich mit dem Thema Sicherheit konfrontiert worden bin. Sehr oft habe ich spät nachts noch Fahrradstrecken allein bei völliger Dunkelheit zurückgelegt, ohne auch nur darüber nachzudenken. Somit war ich zu Beginn sehr paranoid, habe jetzt jedoch würde ich sagen, ganz gutes Gefühl entwickelt. In Hatfield trage ich mein Handy ganz unbedenklich in der Hand, während ich in Town schon mehr auf meine Sachen aufpasse. 

Selbstverständlich ändert und entwickelt sich das Sicherheitsempfinden mit der Zeit und den Erfahrungen, die gesammelt werden. Vor allem jetzt, wo ich nicht mehr allein im Projekt und allgemein in Atteridgeville bin, sieht mein eigenes Sicherheitsempfinden anders aus. Zu Beginn habe ich mein Handy auf der Straße so gut wie nie herausgeholt, genau wie Geld oder irgendwelche Wertgegenstände. Die Wahrheit ist jedoch, dass jeder auf der Straße Wertgegenstände besitzt und die Wenigsten haben auch Lust, dies komplett zu verstecken. Auffällig ist, dass Menschen seltener Taschen oder Rucksäcke dabei haben. Das Handy wird lieber in der Hand gehalten. Heute weiß ich, dass ich mein Handy ruhig in die Hand nehmen, auch Musik auf dem Nachhauseweg hören kann, wenn mir danach ist. Generell ist es so, dass die Community dich ein wenig schützt und im Township, zumindest in den Straßen, in denen ich mich bewege, ist alles sehr öffentlich. Menschenmengen und Sammelplätze bieten also Schutz und ich habe mich und auch meine Gastfamilie so oft gefragt, warum ich abends nicht allein durch das Township laufen kann, wenn es doch so viele Leute tun. Es gibt kein konkretes Richtig oder Falsch, es wird einfach nicht dazu geraten. Zumal ich aufgrund meines Aussehens auffalle und Menschen mit weißer Hautfarbe gerade im Township sofort mit Geld assoziiert werden. Allerdings hat sich wie gesagt einiges geändert, seit meine Mitfreiwillige da ist. Unter der Woche unternehmen wir sehr viel und obwohl jetzt Sommer ist und es später dunkel wird, fahren wir meist erst bei fortgeschrittener Dämmerung zurück nach Town und dann im Dunkeln nach Atteridgeville. Und ich muss sagen, dass ich mich da sicherer fühle, als wenn wir früh auf dem Weg zur Arbeit allein in einem Taxi sitzen. Einfach nur, weil die Community uns schützt und da andere Menschen sind. Von dem Platz an dem wir Aussteigen bis zum Haus meiner Mitfreiwilligen sind es 3 Minuten Fußweg, bis zu mir noch einmal 3. Und ja, ich laufe diese 3 Minuten nach Hause, wenn es Dunkel ist. Ich laufe zügig und halte nicht an. Zumeist sind noch Menschen auf den Straßen. Ich muss zugeben, dass es ein wenig unheimlich ist, aber auch hier ist ein wesentlicher Bestandteil von Safety meiner Meinung nach, welche Botschaft man selbst sendet. Manchmal fragen mich Leute, was ich so spät noch draußen mache. Ich gehe nur nach Hause, ganz schnell und ganz selbstbewusst. 

Zusammenfassend würde ich sagen, es wird meistens vom Worst Case Scenario ausgegangen, da jedem Südafrikaner schon einmal etwas passiert ist. Die Menschen sind immer in Alarmbereitschaft und niemand ist verwundert, wenn dir erzählt wird, dass dein Nachbar ausgeraubt wurde. Dennoch ist es möglich, sich eigenständig und einigermaßen sicher zu bewegen, wenn man sich darüber im klaren ist, wo man sich gerade befindet. Ich habe eigentlich ein ganz gutes Gefühl, bei dem, was ich tue.

Bis bald.

Trauer und Freude

Freitag, 22.11.2019

Am Samstag, den 16.11.2019, war ich zum ersten Mal in meinem Leben auf einer Beerdigung. Leider ist ein Familienmitglied verstorben und somit waren wir nicht nur Gäste, sondern gehörten zum engsten Kreis. Gleichzeitig war dies mein erster Kirchenbesuch in Südafrika. Ich bin in Deutschland noch nie zuvor auf einer Beerdigung gewesen, von daher habe ich keinen direkten Vergleich. Jedoch habe ich in einem vierstündigen Trauer- und Gedenkgottesdienst sehr viel über mich selbst und meine eigene Mentalität gelernt.

Der Gottesdienst an sich war sehr langatmig, aber persönlich. Freunde, Nachbarn, Familie, Arbeitskollegen. Alte Collegebekannte. Alle äußerten schöne Worte, jeder hatte Gutes zu der verstorbenen Person zu sagen. Nach jeder Ansprache wurde ein Gospel gesungen. Gefühlt ganz spontan, es waren um die 20. Und alle wunderschön, die gesamte Gemeinde hat mitgesungen und getanzt, ohne Orgelbegleitung. Allgemein ist zu sagen, dass die Gemeinde alle Emotionen einfach gelebt hat. Viele Leute haben geweint, auf einer Beerdigung normal, aber niemand versucht etwas zu verstecken. Weinen ist ganz natürlich und wird somit auch ausgelebt. Auch Tanz gehört dazu und somit steht man einfach auf und tanzt, auch wenn man die einzige Person im Raum ist. Und auch mit Tränen in den Augen. Im Fokus stand jedoch vielmehr die Lobpreisung des Lebens, weshalb auch viel gelacht wurde. Wenn man nicht gerade jemand geweint hat und Wasser oder Taschentücher gebracht wurden, konnte man schon beinahe schwer glauben, auf einer Trauerfeier zu sein. Umringt von lachenden, tanzenden und singenden Menschen. Wie bereits erwähnt, hat mich diese Erfahrung vor allem nachdenklich gestimmt und über meine eigene Mentalität nachdenken lassen, die ich mir ja nicht aussuchen kann. Die Fähigkeit, oder sagen wir das einfache Ausleben von Gefühlen, sollte eigentlich für keinen ein allzu großes Problem sein. Stattdessen fressen viele ihre Gefühle in sich hinein, was vor allem den Trauerprozess und das Heilen danach nicht unbedingt einfacher gestaltet. Auch mir selbst fällt auf, dass ich eher keine Gefühle ausdrücke, zumindest nicht in einem solchen Ausmaß. Natürlich ist ein unmittelbarer emotionaler Gefühlsausbruch sicherlich auch nicht immer die beste Lösung. Aber stets einen kühlen Kopf bewahren auch nicht. Mentalitäten zu bewerten ist nahezu unmöglich und ich kann jetzt auch nicht sagen, was ich besser finde. Aber in diesem Moment in der Kirche habe ich mir gewünscht, einfach ein bisschen mehr mit dazuzugehören und kam mir sehr verkrampft vor.

Die eigentliche Beisetzung war direkt im Anschluss. Und die Sonne hat so sehr geschienen, hätte meine Gastschwester nicht an einen Schirm gedacht, wäre ich mit meiner neuen, deutlich kürzeren Frisur wohl direkt mit einem Sonnenstich geendet. Die gesamte Gemeinde hat beim bereits ausgehobenen Grab auf dem unendlich großen Friedhof gewartet. Ehrlich gesagt fand ich ihn nicht besonders schön, so in der prallen Sonne, ohne jegliche Vegetation. Für die unmittelbare Verwandschaft stand ein Zelt bereit. Ein wenig unwohl habe ich mich aber gefühlt, da ich die verstorbene Person ja gar nicht wirklich kannte, und habe auch den Sitzplatz verweigert, da ich es für mich angebrachter und angenehmer fand, zu stehen. Es wurde noch einmal gebetet und dann wurde der Sarg eingelassen. Zugeschaufelt würde das Grab nicht von Angestellten, sondern von den Familienangehörigen selbst. Geschmückt mit Blumen, Kränzen und Gestecken von denselben. Während des Einlassen des Sarges wurde ganz besonders viel geweint und wieder unterstütze sich die Gemeinde. Aus ganz verschiedenen Ecken würden immer wieder neue Gospelgesänge abgestimmt und aufgegriffen, um die traurige Stille mit Lebensenergie und Musik zu füllen. 

Anschließend gab noch traditionelles Essen im Haus der Familie. Im Großen und Ganzen habe ich die Beerdigung als sehr aufschlussreich empfunden, wenn auch für mich selbst als sehr Nebenstehenden. Wie gesagt, habe ich leider keinen direkten Vergleich, da ich zuvor noch nie auf einer Beerdigung war. 

Gute Nacht☀️

Tablets und zerbrochene Fensterscheiben

Dienstag, 12.11.2019

Bildung kann Türen öffnen, Träume realisieren und Leben retten. Ich selbst bin mit meinem Schulabschluss mehr als zufrieden, aber Schulsysteme unterscheiden sich nun einmal. Die gefühlt 20 verschiedenen Arten vom Schulen, zwischen denen in Deutschland gewählt werden kann. Die unterschiedlichen Schulabschlüsse und Möglichkeiten. So ziemlich jeder Tür, die offene steht und dass es immer einen Weg gibt. Das ist für mich nicht selbstverständlich gewesen, aber trotzdem normal. Und ich bin wirklich nicht immer dankbar und motiviert zur Schule gegangen.
Um zu verstehen, wie die Probleme und Missstände des Bildungssystems zustande kommen, muss ein wenig Geschichte betrachtet werden. Während der Zeit der Apartheid hatten ausschließlich Kinder aus weißen Familien Zugang zu guten Schulen. Kinder aus Familien mit dunkler Hautfarbe erhielten stattdessen eine sogenannte "Bantu Education", die Grundkenntnisse, wie Lesen, Schreiben und Rechnen, außerdem Kochen, Putzen, Gärtnern und Handarbeiten vorsah. Diese Art von Bildung sah somit keine akademische Laufbahn vor. Auch heute ist es häufig so, dass die ärmere schwarze Bevölkerung als Angestellte in privaten Haushalten tätig ist. Auch meine Gastmutter hat mir erzählt, dass sie in der Schule Nähen und Kochen gelernt habe. Zunächst ist das einmal etwas, was ich durchaus unterstützen würde, mir hat die Schule in diesen Bereichen nicht sonderlich viel beigebracht. Im Gegenzug dazu erzählte sie mir jedoch auch davon, dass sie während ihrer Schwangerschaft nicht wusste, wie ihr Kind geboren werden würde. Sie wusste also nicht über die eigene Anatomie des menschlichen Körpers Bescheid, was in dieser Situation von absoluter Wichtigkeit ist.
Kurz gesagt gibt es heute zwei Arten von Schulen, staatliche- und Privatschulen. Diese können sich jedoch nicht viele leisten, aufgrund hoher Schulgebühren und langer Anfahrtswege. Meine Gastgeschwister gehen auf Privatschulen, die annährend den Standard europäischer Schulen haben. Im Gegenzug dazu gibt es die staatlichen Schulen. Auch Makgatho ist eine staatliche Schule und zudem im Township. Die meisten staatlichen Schulen haben nur wenig finanzielle Mittel zur Verfügung, weshalb die Gebäude zumeist in keinem guten Zustand sind. Hinzu kommen überfüllte Klassen mit bis zu 90 Kindern, die aufgrund des Mangels an Schulen und an qualifizierten Lehrern zustande kommen.
Auch in der Makgatho Primary School ist dies deutlich festzustellen. Die Klassenräume sind in containerartigen Installationen untergebracht, vier größere Komplexe. In jedem Klassenraum gibt es die essentiellen Dinge, die zum Lernen benötigt werden. Vieles ist aber auch kaputt oder wird obligatorisch irgendwie zusammen gehalten. Es gibt eine "Treppe" aus wackeligen Backsteinen zu einem Container, der schief steht. An vielen Türen fehlen die Klinken. Und die meisten Fensterscheiben haben Risse oder sind zerbrochen. In jedem Raum gibt es einen 10-Liter-Kanister mit Trinkwasser für einen Tag, der am Morgen von den Schülern geholt wird. Solche Kanister stehen ebenfalls vor den Klassenräumen, jedoch zum Händewaschen. Und es gibt alte Schulbänke, viele verschraubt mit dem Tisch, die häufig von bis zu vier Kindern geteilt werden. In den Vorschulklassen gibt es Plastikstühle oder halt einen Teppich. Dennoch ist irgendwie alles da, was benötigt wird. Es gibt kostenloses Mittagessen aus einem "Feeding-Programm", was den Kindern eine warme Mahlzeit pro Tag ermöglicht, einen Kiosk, Sportplatz, eine Bibliothek. Schon erstaunlich, mit was für einer dezimierten Ausstattung ausgekommen werden kann, aber, vor allem viele Kinder, kennen es nicht anders. Ich war, als ich hier angekommen bin, nicht direkt geschockt, da halt größtenteils die Basisausstattung gegeben ist, aber es es stehen halt keine bunten Bücherregale in den Räumen, sondern Holzbretter an der Backsteinwand, die es auch tun.
Makgatho ist eine gute Schule, die viele Möglichkeiten bietet. Die Primary School ist trilingual, die Kinder werden nach ihrem ersten Sprachen in Klassen eingeteilt: IsiZulu, Sepedi oder Englisch. In diesen Homelanguages werden sie dann unterrichtet. Neben der Möglichkeit Bildung in der eigenen Sprache zu erhalten, ist die Makgatho Primary School Teil mehrerer Programme, die ich in meiner Grundschule so nicht hatte. Da gibt es einmal die Foundation Phase, eine Stiftung, die durch das Bereitstellen von Tablets an mehreren Schulen das multimediale und digitalisierte Lernen ermöglicht. Für diese Tablet Classes bin auch ich zuständig. Die Tablets sind mit Apps aus fünf verschiedenen Bereichen ausgestattet: Literacy, Numeracy, Critical Thinking, Creativity und Toolbox und werden von den Kindern der Vorschulklassen, bis Klasse 3 genutzt. Die meisten der Apps sind nach dem Montessori-Konzept programmiert. Dann ist da noch die Kagisano Foundation. Diese Stiftung stellt Laptops für die Kinder der ersten Klassen mit einem Lernprogramm, was die Lesekompetenz fördert. Den Einsatz solcher digitalen Medien kann ich mir ziemlich gut in einer deutschen Schule vorstellen, ich selbst habe keine Lernspiele per Touchscreen bedient, als ich 6 Jahre alt war.

Was ist die Bildung denn jetzt eigentlich wert? Mit meiner Gastschwester habe ich, anlässlich einer anstehenden Prüfung, zusammen gelernt und sie hat mir alles über Marketing und wirtschaftliche Zusammenhänge erklärt, ein Fach, dass ich nach der zehnten Klasse so schnell wie nur möglich abgewählt hatte. Sie muss zwar keinen Wirtschaftskreislauf mit Geldfluss und Deflationsraten analysieren, wie ich in der Schule, aber der Unterrichtsstoff schien umfangreich und verständlich. Ein paar Dinge haben mich jedoch überrascht, nicht nur positiv.
So wird beispielsweise auf schnelles und gutes Kopfrechnen nicht allzu viel Wert gelegt, einige Lehrer zählen heute noch mit den Fingern. Am meisten schockt mich jedoch der Mangel an globalem Denken und Weltverstehen Einiger. Ich weiß nicht, wie sehr man sich damit bewusst auseinander setzen muss, um die Fähigkeit zu besitzen, immer größer und weiter denken zu können. Für mich ist ein globales Bewusstsein ein Teil der Allgemeinbildung, ebenso wie die Fähigkeit dieses zu bewerten. Allein bedingt durch Social Media finde ich es unmöglich, nicht informiert zu sein. Unabhängig davon, ob man über das gesamte (politische) Weltgeschehen informiert ist, ist man sich dessen bewusst, dass es gewisse Brennpunkte gibt und dass diese auch keine Ausnahmen sind. Als meine 30-jährige Kollegin in einem Gespräch jedoch überrascht war, dass ich schon einmal die Begriffe "Rassismus" und "Xenophobie" gehört habe und diese auch noch erklären, bewerten und kritisieren kann, war sie überrascht. Sie dachte, dass dies nur in Südafrika existiert, nicht einmal kontinental betrachtet. Auch scheint das kritische Auseinandersetzen schwer zu sein. Viele Menschen, die ich getroffen habe und die mich nach meiner Herkunft fragen, haben bei der Antwort "Deutschland" nur eine Assoziation: Hitler. Und nicht nur einer war überrascht, wenn ich antworte, dass dieser Mensch bereits tot ist und dass ich etwas Negatives dazu zu sagen habe.
Was mich auch schwer getroffen hat, war die Auseinandersetzung mit dem Thema Klimawandel und Erderwärmung. Ich habe eine Soul Buddyz Lesson vorbereitet und versucht, den Kindern den Treibhauseffekt, sowie Folgen und Maßnahmen anschaulich an einem Modell zu erklären. Unabhängig davon, dass Maßnahmen wie Wasser sparen in Südafrika sowieso durchgesetzt werden, konnten die Kinder den Zusammenhang nicht verstehen. Das selbstständige Herleiten von Zusammenhängen fiel ihnen so schwer. Überhaupt habe ich den Eindruck, dass größtenteils Fakten vermittelt werden, ohne diese zu hinterfragen. Was antwortet man, wenn ein 13-jähriges Mädchen mir erzählt, dass nicht so viel gestampft werden darf, weil der rote Staub, der im Südafrika überall zu finden ist, dann zu viel Gase erzeuge. Oder dass es nicht schlecht sei, wenn die Eisberge schmelzen, weil die Lebensqualität dort nicht so gut ist, da die Wäsche draußen nicht gut trocknet.
Das ist jetzt natürlich ein Beispiel und auf keinen Fall allgemein anzuwenden. Jedoch werde ich damit konfrontiert.
Ich werde auf jeden Fall versuchen, einen Teil von meinem eigenen Wissen an die Kinder weiterzugeben und meine Ansichten und Denkweisen so zu verpacken, dass sie auch verständlicher werden. Angefangen haben wir bereits damit (Meine Mitfreiwillige ist nach 9 langen Wochen des Wartens endlich doch noch gekommen). Mit neuer Motivation und Ideen haben wir eine Soul Buddyz Lesson mit dem Thema "Mobbing" gestaltet und dabei mit den Kindern nicht nur die Basics herausgearbeitet, sondern genau die Punkte, die uns bei einem solchen Thema wichtig sind. Ich freue mich sehr auf die kommenden Projekte und bin wieder voller Ideen und Motivation.
Bis bald ☀️