Der zu schnelle perfekte Abschied

Donnerstag, 19.03.2020

Nicht zu fassen, wie schnell alles ging. Die letzten Tage waren so lang, emotional und bittersüß.

Heute ist der letzte Arbeitstag. Erstmal ein letztes Mal morgens Johanna abholen, verschlafen ein Taxi rufen und froh sein, dass man diesen Berg nicht hochlaufen muss. In eine Mappe eintragen, den Schlüssel abholen und in das eigene Office setzen, mit dem morgendlichen Kaffee und 60 Tablets, die alle noch geladen werden müssen, bevor all die Kinder mit ihren Stimmen die Library füllen. Von den Kindern konnten wir uns leider gar nicht verabschieden, nur unsere Soul Buddyz wissen von der Möglichkeit, dass wir fahren. Wir haben uns die Zeit genommen, mit ihnen gemeinsam über Corona zu reden, sodass sie ihre Fragen loswerden und ihre Ängste teilen konnten. Dass es in Deutschland derzeit soviel schlechter aussah, hat alle sehr erschreckt und die bestehende Möglichkeit, dass wir eventuell zurück müssten, noch viel mehr. Allerdings war dies auch der letzte Schultag und für unsere (wahrscheinlich) letzte Soul Buddyz Lesson hatten wir uns etwas besonderes für die Kinder überlegt. Eine stattliche Menge an Süßigkeiten hatten wir bereits am letzten Freitag und diese sollten sie nun bei kleinen Spielen gewinnen können. Staffelähnliche Spiele, bei denen sie sich richtig auspowern können und am Ende jeder eine Belohnung bekommt, wir sind schließlich alle Gewinner;)

 

Demnach war der Abschied von der Seite unserer Soul Buddyz nicht so emotional, wie er eigentlich gewesen wäre. Ich werde jedes einzelne dieser Kinder so sehr vermissen, sie sind so wunderbare Menschen, die mir viel beigebracht haben.

          

10 Minuten, nachdem alle Kinder die Schule verlassen hatten, wussten wir dann mit Sicherheit, dass wir fliegen müssen. Nachdem wir nun wissen, dass wir Makgatho sehr viel früher als gedacht verlassen, konzentrieren wir uns auf das Thema Nachhaltigkeit. Nach uns wird es weitere Freiwillige geben, die das Projekt ein halbes Jahr später so vorfinden, wie wir es hinterlassen haben. Also investiert man nochmal 8 Stunden und schreibt ein 15-seitiges Library-Handover, was alle Probleme, sowie Tricks und Tipps beinhaltet, die wir uns angeeignet haben und vielleicht selbst gern gewusst hätten. Mir ist das Projekt sehr wichtig, Johanna und ich haben viel  Kraft und Zeit in die Planung gesteckt und das Mindeste, was wir jetzt noch tun konnten war, eine möglichst gute Erklärung zu hinterlassen, die den neuen Freiwilligen dabei hilft, das Computersystem und Soul Buddyz zu verstehen. Außerdem haben wir noch Briefe an die Koordinatoren geschrieben, mit denen wir eng zusammen gearbeitet haben. Wir haben versucht zu erklären, was wir in den letzten 6 Monaten gemacht haben, was sich verändert oder verbessert hat und was wir noch vorhatten. Gerade zu Soul Buddyz hatten wir ganz besonders viel zu sagen, wir hatten schließlich im Dezember eine Art Lehrplan für das gesamte Schuljahr geschrieben mit Themen, die wir abarbeiten wollten. Beim Durchgehen durch all die von uns erstellten Materialien und Arbeitsblätter, ist mir klar geworden, wie stolz ich auf das bin, was hier passiert ist. Ich hatte wirklich das Gefühl, dass wir angekommen sind und einen Teil zur Schule und auch der Entwicklung der Kinder beitragen können. Ich habe hier selbst so viel gelernt und entdeckt, dass ich diese Arbeit gut kann und sie mir auch Spaß macht.

In unseren Briefen haben wir uns natürlich auch für all die Unterstützung und Hilfe bedankt, vor allem ich habe da so viel zu sagen, da ich ganz zu Beginn so verloren ohne meinen Mitfreiwilligen war und bestimmt eher eine Last, als Hilfe, war. Geplant war, uns vom gesamten Kollegium mit Übergabe der Briefe, sowie ausgedruckter Fotos und selbstgebackenem Kuchen, bei einem Meeting zu verabschieden. Das Meeting gab es auch, nur anders als von uns erwartet. Eine Lehrerin hatte uns ins Office gebeten und uns ein Kleid für Johanna und eine Hose mit Bluse für mich in die Hand gedrückt. Traditionelle Sepedi-Klamotten. Ich war mehr als überfordert von dieser Geste, doch damit war es noch nicht getan. Bei Makgatho wird, immer wenn jemand geht, ein Geschenk überreicht und ein paar liebe Worte gesagt. Tatsächlich wurden nicht nur Johanna und ich verabschiedet, noch zwei andere Mitarbeiter verlassen mit uns die Schule.Wir wurden gebeten unsere neuen traditionellen Kleider zu tragen, damit wir als offizielle South African Citizens berabschiedet werden können. Ein Kollegium, zu dem du selbst in den letzten 6 Monaten gehört hast, singt mit lauten Stimmen die südafrikanische Hymne (übrigens die schönste Hymne der Welt) und in diesem Moment gehörst du wirklich dazu. Worte werden schluchzend herausgepresst und dir wird klar, dass du eben doch zu einer Familie gehörst, auch wenn du aus einem anderen Land kommst und die Menschen, mit denen du gearbeitet hast, dir das erst zum Ende richtig zeigen.

Ich kann an dieser Stelle nur DANKE sagen (diese Personen werden meinen Blog niemals lesen, geschweige denn sprechen sie meine Sprache, aber ein paar Namen müssen hier jetzt genannt werden)

Danke, an Mam Dlamini und Violin, die wohl herzlichsten Menschen der Welt.

Danke, an Mam Matlala, unsere Library-Mama, die super viel Geduld mit uns hatte und mir immer wieder erklärt hat, wie ich bei 60 Kindern in einem Raum die Kontrolle behalte.

Danke, an Andile und Tebogo, die mit uns die Pausen verbracht haben und mit denen wir so viel gelacht haben, wenn Johanna und ich versucht haben, Sepedi zu sprechen.

Danke, an Jane, unsere Chefin, die vielleicht ein wenig Ärger mit uns hatte, aber immer offen für unsere Ideen war und uns das erst hier ermöglicht hat.

Und Danke an Mpumi, die uns früh immer Kaffee gemacht hat, ohne dich hätte ich wahrscheinlich nicht überlebt♥