Be safe!

Sonntag, 24.11.2019

"Du musst immer sicher sein". Oder einfach nur "be safe" "walk safe" oder "get home safe", ist, was mir zum Abschied meistens gesagt wird. Und das bedeutet, keine nächtlichen Spaziergänge, kein Handy auf der Straße, das Meiden bestimmter Viertel und kein Taxifahren nachts. Paranoia oder lebensrettende Notwendigkeit?

Zunächst einmal muss gesagt sein, dass Südafrika zu einem der gefährlichsten Länder weltweit zählt. Innerhalb der letzten Jahre ist die Zahl der Morde immer weiter angestiegen und lag im Jahr 2018 bei über 20.000 (siehe Quelle). Das sind sogar mehr Morde als in Brasilien. Das liegt daran, dass bis heute viele Menschen mit dunkler Hautfarbe in großer Armut, auf engstem Raum und in Wellblechhütten zusammengepfercht in Randgebieten großer Städte, den Townships, leben und noch immer unter den Folgen der Apartheid zu leiden haben. Auch der Zustand einiger öffentlicher Einrichtungen macht die Spaltung innerhalb des Landes deutlicher. Besonders die staatlichen Krankenhäuser sind in keinem guten Zustand, mit wenig Privatsphäre und nur bedingt hygienischen Bedingungen ausgestattet. Zu sehen ist hier das Kalafong  Hospital, das Krankenhaus, was in Atteridgeville am nächsten zu uns ist und wo ich mich tatsächlich öfter aufhalte, da Freunde von mir, andere Freiwillige, die in ihrem Projekt, einem Waisenhaus im Krankenhaus arbeiten und auch  wohnen. 

Dies ist ein ganz normaler Gang im Krankenhaus, draußen. Die privaten Krankenhäuser sind jedoch nach annähernd europäischen Standards.

Wie äußert sich das Thema "Safety" denn in meinem Alltag? Es beginnt bereits Zuhause. Mein vergittertes Fenster verschließe ich mit einem Riegel. Für das Verlassen des Hauses brauche ich drei Schlüssel. Den eigentlichen Haustürschlüssel, im Extremfall sind noch drei Riegel vorgeschoben, den Butler davor und das Gate, also das Tor, was mit Stacheln und Maschendraht präpariert ist und woran ich mich auch nicht nur einmal verletzt habe. Solche Tore sind vor jedem Haus, hier das Tor der Deutschen Schule in Pretoria, sogar mit Stromzaun:

Die Häuser stehen sehr eng, Mauer an Mauer, Zaun an Zaun. Im Hof um das Haus herum sind fünf Kameras installiert. Auf der Arbeit ist es ähnlich. Hier wird zusätzlich mit einer Security Firma kooperiert, die eine Rufbereitschaft von 24 Stunden bereitstellt. Das klingt alles sehr beängstigend, ich habe noch keine Situation mitbekommen, in der eine dieser Sicherheitsmaßnahmen zum Tragen gekommen wäre. Und ich fühle mich trotz so vieler Gitter auch nicht eingesperrt, es gehört für mich mittlerweile einfach dazu. Gerade die Butler finden sich vor jeder einfachen Tür, selbst die Klassenräume in Makgatho haben alle einen Butler vor der einfachen Tür. Meine Wertgegenstände, Handy und Geld, trage ich ausschließlich im BH mit mir herum. auf der Straße telefoniere ich sleten und nur wenn ich mich absolut sicher fühle, also in vertrauten Gegenden.

Zu betrachten sind unterschiedliche Gegenden. Da ist einmal das Studentenviertel Hatfield, den Stadtteil Sunnyside, Pretoria East mit den Gated Communities und Pretoria West, das noch vom Erscheinungsbild her eher an ein Township erinnert. Und natürlich gibt es noch Town, die Innenstadt, wo alles lauter und anonymer ist. Es kommt darauf an, wo man ist, wann, aber vor allem auch wie man sich verhält. Ich hatte zu Beginn Angst, dass sich kein Gefühl für die Sicherheitslage entwickelt, da ich in Jena nie wirklich mit dem Thema Sicherheit konfrontiert worden bin. Sehr oft habe ich spät nachts noch Fahrradstrecken allein bei völliger Dunkelheit zurückgelegt, ohne auch nur darüber nachzudenken. Somit war ich zu Beginn sehr paranoid, habe jetzt jedoch würde ich sagen, ganz gutes Gefühl entwickelt. In Hatfield trage ich mein Handy ganz unbedenklich in der Hand, während ich in Town schon mehr auf meine Sachen aufpasse. 

Selbstverständlich ändert und entwickelt sich das Sicherheitsempfinden mit der Zeit und den Erfahrungen, die gesammelt werden. Vor allem jetzt, wo ich nicht mehr allein im Projekt und allgemein in Atteridgeville bin, sieht mein eigenes Sicherheitsempfinden anders aus. Zu Beginn habe ich mein Handy auf der Straße so gut wie nie herausgeholt, genau wie Geld oder irgendwelche Wertgegenstände. Die Wahrheit ist jedoch, dass jeder auf der Straße Wertgegenstände besitzt und die Wenigsten haben auch Lust, dies komplett zu verstecken. Auffällig ist, dass Menschen seltener Taschen oder Rucksäcke dabei haben. Das Handy wird lieber in der Hand gehalten. Heute weiß ich, dass ich mein Handy ruhig in die Hand nehmen, auch Musik auf dem Nachhauseweg hören kann, wenn mir danach ist. Generell ist es so, dass die Community dich ein wenig schützt und im Township, zumindest in den Straßen, in denen ich mich bewege, ist alles sehr öffentlich. Menschenmengen und Sammelplätze bieten also Schutz und ich habe mich und auch meine Gastfamilie so oft gefragt, warum ich abends nicht allein durch das Township laufen kann, wenn es doch so viele Leute tun. Es gibt kein konkretes Richtig oder Falsch, es wird einfach nicht dazu geraten. Zumal ich aufgrund meines Aussehens auffalle und Menschen mit weißer Hautfarbe gerade im Township sofort mit Geld assoziiert werden. Allerdings hat sich wie gesagt einiges geändert, seit meine Mitfreiwillige da ist. Unter der Woche unternehmen wir sehr viel und obwohl jetzt Sommer ist und es später dunkel wird, fahren wir meist erst bei fortgeschrittener Dämmerung zurück nach Town und dann im Dunkeln nach Atteridgeville. Und ich muss sagen, dass ich mich da sicherer fühle, als wenn wir früh auf dem Weg zur Arbeit allein in einem Taxi sitzen. Einfach nur, weil die Community uns schützt und da andere Menschen sind. Von dem Platz an dem wir Aussteigen bis zum Haus meiner Mitfreiwilligen sind es 3 Minuten Fußweg, bis zu mir noch einmal 3. Und ja, ich laufe diese 3 Minuten nach Hause, wenn es Dunkel ist. Ich laufe zügig und halte nicht an. Zumeist sind noch Menschen auf den Straßen. Ich muss zugeben, dass es ein wenig unheimlich ist, aber auch hier ist ein wesentlicher Bestandteil von Safety meiner Meinung nach, welche Botschaft man selbst sendet. Manchmal fragen mich Leute, was ich so spät noch draußen mache. Ich gehe nur nach Hause, ganz schnell und ganz selbstbewusst. 

Zusammenfassend würde ich sagen, es wird meistens vom Worst Case Scenario ausgegangen, da jedem Südafrikaner schon einmal etwas passiert ist. Die Menschen sind immer in Alarmbereitschaft und niemand ist verwundert, wenn dir erzählt wird, dass dein Nachbar ausgeraubt wurde. Dennoch ist es möglich, sich eigenständig und einigermaßen sicher zu bewegen, wenn man sich darüber im klaren ist, wo man sich gerade befindet. Ich habe eigentlich ein ganz gutes Gefühl, bei dem, was ich tue.

Bis bald.